Die Geschichte von VinFast, dem vietnamesischen Elektrofahrzeughersteller, klingt wie ein modernes Märchen: In nur fünf Jahren hat sich das Unternehmen von einem unbekannten Startup zu einem ernstzunehmenden Herausforderer großer Namen wie Tesla, Hyundai und Volkswagen entwickelt. Doch hinter diesem rasanten Aufstieg stehen nicht nur Innovation und Mut, sondern auch milliardenschwere Investitionen, große Visionen und kontroverse Entscheidungen. DIGISUSTAIN-Teammitglied Jon-Matteo Brüggenwerth reiste im Sommer nach Vietnam und machte sich ein Bild der Erfolgsgeschichte des Unternehmens.
Vom Nudelunternehmer zum Milliardär mit Umweltmission
Pham Nhat Vuong, der Gründer von VinFast und reichste Mann Vietnams, ist der Architekt von VinFast. Sein Weg begann in den 1990er Jahren in der Ukraine, wo er mit Instant-Nudeln ein Vermögen machte, bevor er in seine Heimat Vietnam zurückkehrte. Heute leitet Vuong die Vingroup, ein riesiges Konglomerat, das unter anderem Immobilien, Einzelhandel und Gesundheitswesen umfasst. Mit der Gründung von VinFast im Jahr 2017 und der Produktion des ersten Fahrzeugs im Jahr 2019 wagte er sich in einen der wettbewerbsintensivsten Märkte der Welt.
Vuongs Ziel ist ambitioniert: Vietnam als globalen Akteur im Elektrofahrzeugmarkt zu etablieren und dabei auf nachhaltige Mobilität zu setzen. Sein Engagement geht weit über unternehmerische Ziele hinaus – Vuong hat angekündigt, sein gesamtes Vermögen in VinFast zu investieren, um seinen Traum zu verwirklichen.
VinFast verfolgt einen bislang einzigartigen Ansatz, um Elektrofahrzeuge erschwinglicher zu machen: Kunden erwerben das Fahrzeug zu einem vergleichsweise niedrigen Einstiegspreis – beispielsweise kostet der VF 8 in den USA ab 40.700 Dollar – und schließen zusätzlich ein Batterieabonnement ab. Dieses Modell kostet etwa 130 Dollar pro Monat und garantiert, dass Batterien ausgetauscht werden, sobald ihre Kapazität unter 70 % fällt. Während dieses Konzept Kostenbarrieren senken soll, bleibt jedoch unklar, ob die Verbraucher ein solches Abonnementmodell langfristig akzeptieren werden.
Globale Ambitionen und Herausforderungen
VinFast hat große Expansionspläne. Das Unternehmen strebt an, in Europa Fuß zu fassen und hat in Zusammenarbeit mit Bosch Zugang zu einem Netzwerk von über 700.000 Ladestationen in 30 Ländern geschaffen. Auch in den USA verfolgt VinFast ehrgeizige Ziele: Der Bau einer Fabrik in North Carolina soll die Produktionskapazität auf 250.000 Fahrzeuge pro Jahr steigern.
Doch die Herausforderungen sind nicht zu übersehen: Die Fahrzeuge erhalten oft schlechte Bewertungen von Kunden und Medien. In Vietnam wurde ein kritischer Blogger nach einer negativen Rezension verhaftet. An der Börse erlebte VinFast einen dramatischen Kurssturz. Nach einem Höchststand von über 70 Dollar im August 2023 fiel der Aktienkurs auf etwa 4,50 Dollar.
Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen steigt weltweit, wie eine McKinsey-Umfrage zeigt: Fast 80 % der europäischen Autokäufer ziehen den Kauf eines E-Fahrzeugs in Betracht. Doch in einem Markt, der von etablierten Giganten wie Tesla dominiert wird, muss VinFast seine Strategie und Produktqualität weiterentwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Pham Nhat Vuongs unerschütterliche Entschlossenheit
Pham Nhat Vuong bleibt optimistisch und bereit, alles zu riskieren. „Bis ich kein Geld mehr habe“, antwortete er in einem Interview auf die Frage, wie weit er bereit sei zu gehen. Seine Entschlossenheit spiegelt die Resilienz Vietnams wider – ein Land, das immer wieder bewiesen hat, dass es „biegsam wie Bambus“ ist und sich auch in schwierigen Zeiten behaupten kann.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob VinFast seine Position im globalen Elektrofahrzeugmarkt festigen kann. Doch eines ist sicher: Dieses Unternehmen wird weiter für Schlagzeilen sorgen – ob als innovativer Automobilpionier oder als Beispiel für die Risiken ehrgeiziger Visionen.
Quellen:
Manager Magazin, Manager Magazin 2